"Putins Spione in Wien: Schutzpatron Schallenberg" - ehemaliger Grünen-Politiker beschuldigt Österreichs Aussenminister der Untätigkeit im Kampf gegen russische Spionage (zackzack.at)
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[Text von Peter Pilz, ehemaliger Politiker der Grünen und nunmehriger Herausgeber eines Online-Mediums ‘Zackzack’.]

Wiens Baupolizei und Österreichs Verfassungsschutz wollen gemeinsam das Spionagezentrum in der Wiener „Russencity“ schließen. Bisher scheitert das an Außenminister Schallenberg.

Am 16. Mai 2024 trat Innenminister Gerhard Karner pünktlich um 10.00 Uhr vor sein Pult im Festsaal des Innenministeriums in der Wiener Herrengasse. Neben ihm nahm Omar Haijawi-Pirchner als Chef der „Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst – DSN“ Aufstellung. Die anwesenden Journalisten wussten nicht, dass der jährliche Verfassungsschutzbericht zum ersten Mal eine politische Bombe enthielt. Sie fand sich als „Exkurs: Russische Signalaufklärung auf österreichischem Boden“ in weißer Schrift auf schwarzem Hintergrund auf den Seiten 97 und 98. „Seit Anfang 2022 wurden zusätzliche Anlagen auf dem Dach der sogenannten´Russencity´ in Wien installiert. Für Österreich entsteht dadurch ein erheblicher Schaden in Form des Verlustes internationaler Reputation und einer Minderung der Attraktivität als Standort internationaler Organisationen.“ Damit zeigte die DSN auf das Grundstück in der Erzherzog Karl-Straße 182, das die Russische Föderation schon 1990 erworben und auf 37.602 m² ein Gebäude mit einem Hauptzweck errichtet hatte: dem Dach. Dort sind Satelliten auf die russischen Schlachtfelder in der Ukraine und Richtantennen auf die Kommunikation im Großraum Wien gerichtet. Spionagehauptstadt Wien

Unter den Augen der österreichischen „Spionageabwehr“ wurde hier vom zivilen russischen Auslandsgeheimdienst SWR das größte SIGINT-Zentrum in der EU aufgebaut. Die DSN weiß das: „Wien fungiert für Russland als Knotenpunkt in der Signalaufklärung (SIGINT) von NATO-Staaten.“ Wien war längst zu Putins Spionagehauptstadt geworden: „Im europäischen Vergleich unterhält Russland eine der größten ´Legalresidenturen´ Europas in Wien. Die diplomatischen Residenturen dienen häufig als Deckmantel für Spionageaktivitäten Russlands.“

Nach Putins Überfall auf die Ukraine waren überall in der EU ähnliche Einrichtungen durch eine einfache Maßnahme stillgelegt worden: durch die Ausweisung des technischen Personals. Wenn Putins Schüsseln nicht bedient werden können, ist der SWR plötzlich blind.

Doppelschlag

Genau das war Anfang 2024 der Plan der DSN. Die Aktion gegen Putins Spione sollte auf zwei Schienen laufen. Die DSN erstellte eine Liste des Spionage-Personals der „Russencity“. Gleichzeitig sollte die Wiener Baupolizei in der MA 37 feststellen, was an den Spionageeinrichtungen illegal am Dach der Russencity errichtet worden war. Der Doppelschlag sollte dann über das Außenministerium erfolgen: Ausweisung der technischen Spione und Abtragung der illegalen Bauwerke.

Am 21. März 2024 sandte die DSN ihren Bericht ins Innenministerium. Die 14 Spione, die detailliert aufgelistet wurden, sind als Diplomaten und „Servicepersonal“ getarnt. Im Innenministerium wusste man, dass der SWR die 14 Spezialisten nicht kurzfristig ersetzen könnte. Damit wäre das erste Ziel erreicht worden: die Lahmlegung der „Russencity“.

Am 5. April 2024 informierte die MA 37 das Außenministerium, dass zumindest eine „Hütte“ mit den Steuerungselementen der Satellitenschüsseln ohne die notwendige Bewilligung illegal erreichtet worden war. Am 7. April bestätigte die russische Botschaft den Erhalt der Nachricht der Wiener Baupolizei. Damit hatte Schritt 2 begonnen: die baupolizeiliche Stilllegung der Russencity. Aus im Außenministerium

Die Stadt Wien erfüllte ihren Teil der Aufgabe. Doch in Innenministerium und DSN stellte man nach zwei Monaten fest, dass sich im Außenministerium nichts rührte. Die 14 SWR-Techniker konnten weiter russische Truppen in der Ukraine mit Informationen versorgen und Einrichtungen der Republik Österreich abhören. In ihrem Bericht hatte die DSN über die Russencity festgestellt: „Im Aufklärungsradius befinden sich ebenso verfassungsmäßige Einrichtungen als Ziel der russischen Spionage gegen Österreich.“ Aber im Mai 2024 war der Außenminister nicht bereit, Putins Spionage gegen Ukraine, EU und österreichischen Einrichtungen mitten in Wien zu beenden.

Schallenberg weiß, dass rund die Hälfte der SWR-Agenten unter diplomatischem Deckmantel spionieren. Der Außenbminister könnte sie ausweisen. Aber kann er wirklich?

Drei Antworten

Nicht nur im Innenministerium fragt man sich, warum Außenminister Alexander Schallenberg weniger tut als die Wiener Baupolizei und nur „eine Vertreterin der russischen Botschaft ins Außenministerium bestellt hat“, wie Der Standard meldet.

Es gibt nicht viele Antworten:

Antwort 1: Schallenberg hat den DSN-Bericht nicht bekommen. Die Aktion „Russencity“ ist schon im Innenministerium abgedreht worden. Dem wird dort widersprochen.

Antwort 2: Schallenberg bildet sich noch immer eine Meinung und wartet, bis ihm das gelungen ist. Damit würde der österreichische Außenminister tatenlos zusehen, wie russische Angriffe auf die Ukraine weiter von Wien aus gelenkt würden. Schallenberg nähme damit noch größere Schäden für Ukraine und Österreich in Kauf.

Antwort 3 besteht aus drei Buchstaben: „RBI“. Wie keine andere westliche Großbank steht „Raiffeisenbank International“ auf der russischen Kippe. Mit dem Projekt „Iliadis“ ist der letzte Versuch, die Raiffeisen-Milliarden über den Kauf von STRABAG-Anteilen aus Russland zu retten, am US-Finanzministerium gescheitert. Iliadis steht inzwischen auf der OFAC-Sanktionsliste und RBI am Abgrund. Ein Stoß von Putin kann die Bank in größte Gefahr bringen.

Raiffeisen oder SWR?

Wenn Schallenberg und seine ÖVP vor der Frage „Raiffeisen“ oder „Schluss mit SWR“ stehen, wofür wird sich die Partei entscheiden? In der Vergangenheit hat die ÖVP immer verlässlich ihr Giebelkreuz getragen. Aber diesmal wird es nicht einfach. Wie erklärt ein österreichischer Außenminister in Kiew, Brüssel und Washington, dass er als einer der letzten Putins Geheimdiensten freie Bahn lässt? Und wie vermeidet der Innenminister, dass die DSN wie das BVT zuvor wieder international isoliert wird?

Die letzten Wochen haben von DSN bis MA 37 gezeigt, dass es nicht an Behörden und Ämtern liegt. Dort ist längst alles für die Aktion „Putin-Lockdown“ auf Schiene. Der politische Fisch stinkt ausschließlich vom Kopf. Österreich ist von Erdgas bis RBI erpressbar wie kein anderer Staat der EU. Jetzt droht Außenminister Schallenberg durch ratloses Nichtstun zum Schutzpatron der Putin-Spione zu werden.

Von der ÖVP-Regierung ist hier nicht viel zu erwarten. Vielleicht könnte sich jemand im Nationalrat und im EU-Parlament darum kümmern.

#dach

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